Júlia Cavazzini und Dea Tcholokava: Zwei neue Goethe-Fellows im documenta archiv

Auch in diesem Jahr begrüßen wir zwei Goethe-​Fellows im documenta archiv: Júlia Cavazzini (São Paulo, Brasilien) und Dea Tcholokava (Tiflis, Georgien) verstärken in den kommenden Monaten das Team und gehen während ihres Aufenthalts eigenen transdisziplinären Forschungsfragen nach. 

Julia Cavazzini ist Künstlerin, Kuratorin und Vermittlerin aus São Paulo, Brasilien. In ihrer Arbeit untersucht sie die Schnittstellen zwischen zeitgenössischer Kunst und Essen, experimenteller Pädagogik und Kuratieren als künstlerischer Praxis. Als Goethe Fellow am documenta archiv untersucht sie die Rolle von Nahrungsmitteln und Essen in der Geschichte der documenta sowie in künstlerischen Konzepten. Im Fokus stehen dabei Essen als Ausdruck von Gastfreundschaft, als Mittel diplomatischer Kommunikation und als soziales Bindeglied in kuratorischen und künstlerischen Praktiken.

Ihr Forschungsprojekt am documenta archiv folgt den kulinarischen Spuren in Archivalien wie Speisekarten, Briefwechseln oder Merchandise-Artikeln – und fragt am Beispiel des Essens danach, wie das Flüchtige dokumentiert, erinnert und interpretiert werden kann. Inspiriert von eigenen Erfahrungen bei früheren Ausgaben und von zentralen Beiträgen wie Rasheed Araeens Shamiyaana–Food for Thought: Thought for Change (documenta 14), Cildo Meireles’ Disappearing Element / Disappeared Element (Imminent Past) (documenta 11), Ferran Adriàs Molekularküche (documenta 12) oder den künstlerischen Praktiken des lumbung – betrachtet sie Essen als Zugang zur Kunst und als Spiegel gesellschaftlicher wie kuratorischer Entwicklungen.

Während ihres Forschungsaufenthalts geht sie sinnlichen wie analytischen Fragen nach:
„Wie gehen Kunsträume mit einem Medium um, das durch sein eigenes Verschwinden definiert ist? Wie lässt sich Essen als verbindendes Element in der Kunst einsetzen? Welche Einblicke bietet die documenta in eine mögliche Geschichtsschreibung zur Schnittstelle zwischen Kunst und Kulinarik? Und vielleicht am eindrücklichsten: Wie würde die documenta schmecken?“

Dea Tcholokava lebt und arbeitet als Filmemacherin in Tiflis, Georgien. Im Rahmen ihres Fellowships im documenta Archiv erarbeitet sie einen essayistisch-dokumentarischen Kurzfilm. Im Mittelpunkt steht ihre persönliche Erfahrung des Lebens in Deutschland, insbesondere in Kassel, die sie mit Materialien aus Familienarchiven, Found Footage und öffentlichem Archivmaterial aus Georgien und Deutschland verbindet. Ergänzend recherchiert sie im documenta archiv zu künstlerischen Positionen und Konzepten rund um Identität, Zugehörigkeit und Heimat. 

Dea Tcholokava studierte Politik, Sozialwissenschaften und Filmregie und kooperierte mit der Medienplattform Chai Khana an mehreren Projekten – darunter Traffic Diary und Of Kids and Sea, die auf internationalen Filmfestivals gezeigt wurden.

Zudem war sie als Editorin und Regieassistentin an der Seite renommierter georgischer Regisseur*innen wie Lana Gogoberidze, Tato Kotetishvili und Bakur Bakuradze tätig. Ihre Filme liefen als Beiträge auf verschiedenen Plattformen und Festivals, wie DOK Leipzig, und die East Doc Platform (Short Pitch). Ihr neuer Kurz-Dokumentarfilm What Does the Mud Whisper feierte 2025 Premiere beim Krakauer Filmfestival.

Ihre Recherche behandelt unter anderem die Film- und Fotosektionen der documenta 6 (1977), Amateurfilme aus dem Umfeld der Ausstellungen und künstlerische Praktiken zum Thema „Migrationserfahrung“.

Einige Kernfragen, denen sie mit ihrer archivischen und filmischen Spurensuche nachgeht, lauten: „Wie formen (zugeschriebene) Identitäten und das Stück Erde, auf dem wir geboren sind, unser Denken und unser Selbstbild? Was bedeutet es, an einem bestimmten Ort geboren zu sein? Ist Identität etwas, das uns nur gegeben und vielleicht sogar aufgezwungen wurde? Und gibt es überhaupt einen Ort, dem man sich wirklich zugehörig fühlen kann?“

Porträtaufnahme: Zwei junge Frauen vor dem Fridericianum
Goethe Fellows 2025: Júlia Cavazzini und Dea Tcholokava, Foto: Julius Lehmann