II. documenta

Das Plakat ist längs und ist in drei Farbbereiche geteilt: rot, blau und gelb. Auf den Farbfeldern sind schwarze Zeichnungen. Über den Farbfeldern stehen die Informationen zu der Ausstellung.
Ausstellungsplakat documenta 2 (1959)

Kunst nach 1945. Internationale Ausstellung

Künstlerische Leitung

Arnold Bode

Orte

Museum Fridericianum, Orangerie, Schloss Bellevue

Künstler*innen

339

Besuchende

134.000

Budget

991,000 DM

Wo 1933 Hakenkreuze prangten, beherrscht nun das kleine „d“ auf Plakaten und Fahnen den Friedrichsplatz. Bereits zu ihrer zweiten Auflage hat sich die documenta als Marke etabliert. Mit der Gründung einer Trägergesellschaft, der documenta GmbH, wurde die Ausstellung institutionalisiert und sollte nun alle vier Jahre stattfinden. War die documenta von 1955 mit ihrer Revision der Avantgarde nach den „verlorenen Jahren“ des Nationalsozialismus zwangsläufig retrospektiv angelegt gewesen, wollte man nun an die Gegenwartskunst anknüpfen.

Wieder stand dem Gründer Arnold Bode der Historiker Werner Haftmann zur Seite. Die Bestandsaufnahme der Kunst nach 1945 folgte dem Motto „Die Kunst ist abstrakt geworden“, was in der damaligen fast schon moralischen Grundsatzdebatte um die Kunst der Gegenwart, in der Befürworter*innen und Gegner*innen abstrakter Kunst sich gerade in Deutschland erbitterte Kämpfe lieferten, keineswegs unumstritten war. Haftmann untermauerte seine These in zwei Unterabteilungen: „Die Lehrmeister der Kunst des 20. Jahrhunderts“ (hier exklusiv Wassily Kandinsky, Paul Klee und Piet Mondrian) und „Wegbereiter der Skulptur des 20. Jahrhunderts“ (Julio González Henri Laurens, Henri Matisse und andere). Wenngleich auf der documenta 2 eine Reihe figürlicher Tendenzen gezeigt wurden (in der Malerei etwa mit Francis Bacon, Werner Heldt, Rudolf Hausner), postulierte Werner Haftmann mit seinem Konzept doch die These einer Kontinuität in der Entwicklung der Kunst des 20. Jahrhunderts hin zur Abstraktion – eine These, die sich angesichts der vielfältigen Erscheinungsformen in der Kunst des 20. Jahrhunderts jedoch nicht behaupten konnte.

Realistische Tendenzen fielen bei der documenta 2 fast gänzlich unter den Tisch – zur Hoch-Zeit des Kalten Krieges war dies auch ein klares politisches Statement. Im Fridericianum dominierten die abstrakten Tendenzen Informel und Tachismus. Besonders spektakulär fiel der Einzug (man sprach gar von einer „Invasion“) abstrakter Positionen aus den USA aus, mit teilweise für europäische Verhältnisse riesenhaften Formaten – etwa Jackson Pollock, der neben Nicolas de Staël, Willi Baumeister und Wols einen eigenen Saal bespielte. Als zweiter Ausstellungsort neben dem Fridericianum kam die Ruine der ebenfalls im Zweiten Weltkrieg zerbombten barocken Orangerie am Eingang zur Karlsaue hinzu; im Gegensatz zu der im Fridericianum gezeigten Malerei überwogen hier figürliche Positionen. Die Skulpturen von Henry Moore, Henri Laurens, Jacques Lipchitz, Norbert Kricke und anderen waren auf Sockeln meist vor einer weiß gekalkten Wand platziert; die Weite der Karlswiese und des Parks sollten sich die Skulpturen erst in späteren documenta-Ausstellungen erobern. Besonders hier kam wieder Bodes Sinn für große Inszenierung zur Geltung: vor der Ruine der Orangerie wurde in einer labyrinthischen Messearchitektur ein Skulpturenboulevard errichtet, der nachts spektakulär beleuchtet war. Symbolisch aufgeladen streckte Ossip Zadkines Bronzeplastik Die zerstörte Stadt (1951–53) anklagend die Arme gen Himmel. Tagsüber konnten sich Besucher in organisch geschwungenen Liegestühlen unter Sonnensegeln ausruhen und die Wasserspiele in einem eigens für Picassos Skulpturengruppe Die Badenden (1956) angelegten Brunnenbecken beobachten. Neben dem „Ausschuss Malerei und Skulptur“ (Arnold Bode, Herbert Freiherr v. Buttlar, Ernest Goldschmidt, Will Grohmann, Werner Haftmann, Ernst Holzinger, Kurt Martin, Werner Schmalenbach, Eduard Trier,Heinrich Stünke; für die amerikanischen Künstler: Porter A. McCray vom Museum of Modern Art, New York) gab es auch einen Ausschuss für Druckgrafik (Bode, Schmalenbach, Stünke), die in einer gesonderten Ausstellung im Schloss Bellevue präsentiert wurde.

Insgesamt wurden 1770 Exponate von 325 Künstlern und elf Künstlerinnen vorwiegend aus Europa und den USA gezeigt. Mit 134.000 Besuchern konnte die documenta 2 noch mehr Interessierte verzeichnen als ihre Vorgängerin (die kontinuierliche Zunahme an Besuchenden sollte sich bis zur vorerst letzten, 13. Ausgabe 2012 fortsetzen), doch war die öffentliche Reaktion längst nicht mehr so ungebrochen positiv wie 1955, sondern stark polarisiert zwischen begeisterter Zustimmung und Ablehnung – entsprechend den Lagern der Befürwortenden und Gegner*innen abstrakter Kunst.

Vorplatz des Fridericianum. Es wehen Fahnen der documenta 2. Die Prtikus ist mit Bannern geschmückt.
Museum Fridericianum (1959)
Menschen sitzen auf einem Platz, der teilweise überdacht ist. Im Hintergrund sind Skulpturen zu sehen.
Pablo Picasso, Les baigneurs (1957) © Pablo Picasso/VG Bild-Kunst. Foto: Günther Becker
Ein großes, farbenfrohes Gemälde hängt an der Wand. Davor sitzen Besucher*innen auf einer Bank, die miteinander sprechen.
Ernst Wilhelm Nay, Das Freiburger Bild (1956)

Künstler*innen

a

  • Acht, René
  • Adam, Henri-Georges
  • Aeschbacher, Hans
  • Altenbourg, Gerhard
  • Appel, Karel
  • Ardon, Mordechai
  • Armitage, Kenneth
  • Arp, Hans

b

  • Bakić, Vojin
  • Baldaccini, César
  • Bargheer, Eduard
  • Basaldella, Afro
  • Basaldella, Mirko
  • Battke, Heinz
  • Batz, Eugen
  • Baumeister, Willi
  • Bazaine, Jean
  • Baziotes, William
  • Beaudin, André
  • Beck, Gustav Kurt
  • Beckmann, Max
  • Bellmer, Hans
  • Bergman, Anna-Eva
  • Berke, Hubert
  • Bertrand, Gaston
  • Beverloo, Cornelis Guillaume van
  • Bill, Max
  • Birolli, Renato
  • Bissier, Julius
  • Bissière, Roger
  • Bloc, André
  • Bluhm, Norman
  • Boccioni, Umberto
  • Bodmer, Walter
  • Bonnet, Anne
  • Braque, Georges
  • Braun, Theo
  • Brauner, Victor
  • Brooks, James
  • Brâncuşi, Constantin
  • Brüning, Peter
  • Buchheister, Carl
  • Burri, Alberto
  • Burssens, Jan
  • Butler, Reg

c

  • Calder, Alexander
  • Camaro, Alexander
  • Campigli, Massimo
  • Capogrossi, Giuseppe
  • Cappello, Carmelo
  • Cassinari, Bruno
  • Castro, Sergio de
  • Cavallon, Giorgio
  • Chadwick, Lynn
  • Childs, Bernhard
  • Chillida, Eduardo
  • Cimiotti, Emil
  • Clavé, Antoni
  • Cliffe, Henry
  • Coester, Otto
  • Consagra, Pietro
  • Corpora, Antonio
  • Courtin, Pierre
  • Cousins, Harold B.
  • Cuixart, Modesto

d

  • Dahmen, Karl Fred
  • Davie, Alan
  • De Chirico, Giorgio
  • Degottex, Jean
  • Delahaye, Jacques Charles
  • Delaunay, Robert
  • Delvaux, Paul
  • Derain, André
  • Deyrolle, Jean Jacques
  • Dodeigne, Eugène
  • Dorazio, Piero
  • Dova, Gianni
  • Dubuffet, Jean
  • Dufour, Bernard
  • Dunoyer de Ségonzac, André Dunoyer

e

  • Eble, Theo
  • Ernst, Max
  • Estève, Maurice
  • Evans, Merlyn

f

  • Fazzini, Pericle
  • Faßbender, Joseph
  • Fedier, Franz
  • Feito, Luis
  • Ferber, Herbert
  • Fontana, Lucio
  • Franchina, Nino
  • Francis, Sam
  • Frankenthaler, Helen
  • Franz Lambert
  • Friedel
  • Friesz, Othon

g

  • Gabo, Naum
  • Gaul, Winfred
  • Geiger, Rupprecht
  • Georges, Claude
  • Germain, Jacques
  • Giacometti, Alberto
  • Gilioli, Emile
  • Gilles, Werner
  • Gillet, Roger Edgar
  • Goldberg, Michael
  • Goller, Bruno
  • Gonzalez, Julio
  • Gorky, Arshile
  • Gottlieb, Adolph
  • Greis, Otto
  • Grieshaber, HAP
  • Gris, Juan
  • Gromaire, Marcel
  • Guston, Philip
  • Gyözö
  • Götz, Karl Otto

h

  • Haass, Terry
  • Haese, Roël d'
  • Hajdu, Etienne
  • Hajek, Otto-Herbert
  • Hantaï, Simon
  • Harnest, Fritz
  • Hartigan, Grace
  • Hartung, Hans
  • Hartung, Karl
  • Hausner, Rudolf
  • Hayter, Stanley William
  • Heiliger, Bernhard
  • Heldt, Werner
  • Helmut Andreas Paul
  • Hepworth, Barbara
  • Herbin, Auguste
  • Herkenrath, Peter
  • Hermanns, Ernst
  • Heyboer, Anton
  • Hilton, Roger
  • Hoehme, Gerhard
  • Hoflehner, Rudolf
  • Hofmann, Hans

i

  • Inoue, Yûichi
  • Iseli, Rolf

j

  • Jacobsen, Robert
  • Jansen, Franz M.
  • Jendritzko, Guido
  • Jorn, Asger

k

  • Kandinsky, Wassily
  • Kantor, Tadeusz
  • Kemeny, Zoltan
  • Kermadec, Eugène de
  • Kirchner, Ernst-Ludwig
  • Kirchner, Heinrich
  • Klee, Paul
  • Kline, Franz
  • Koenig, Fritz
  • Kohler, Max
  • Kokoschka, Oskar
  • Kooning, Willem de
  • Kricke, Norbert
  • Kügler, Rudolf

l

  • Lam, Wifredo
  • Landhuyt, Octave
  • Landhuyt, Octave
  • Lanskoy, André
  • Lanskoy, André
  • Lanyon, Peter
  • Lanyon, Peter
  • Lardera, Berto
  • Lardera, Berto
  • Lassaw, Ibram
  • Lassaw, Ibram
  • Lataster, Ger
  • Lataster, Ger
  • Laurens, Henri
  • Laurens, Henri
  • Lebenstein, Jan
  • Le Corbusier
  • Le Moal, Jean

m

  • Malevic, Kasimir
  • Manessier, Alfred
  • Manzù, Giacomo
  • Marc, Franz
  • Marca-Relli, Conrad
  • Marcks, Gerhard
  • Marczynski, Adam
  • Marfaing, André
  • Marini, Marino
  • Marquet, Albert
  • Masson, André
  • Mastroianni, Umberto
  • Mataré, Ewald
  • Mathieu, Georges
  • Matisse, Henri
  • Matschinsky-Denninghoff, Brigitte
  • Matta, Roberto Sebastian
  • Meadows, Bernard
  • Meistermann, Georg
  • Mendelson, Marc
  • Merwart, Ludwig
  • Mettel, Hans
  • Michaux, Henri
  • Minassian, Leone
  • Miró, Joan
  • Mitchell, Joan
  • Mondrian, Piet
  • Moore, Henry
  • Morandi, Giorgio
  • Moreni, Mattia
  • Morlotti, Ennio
  • Mortensen, Richard
  • Motherwell, Robert
  • Murtic, Edo
  • Mühlenen, Max von
  • Müller, Robert
  • Müller-Hufschmid, Willi

n

  • Nay, Ernst Wilhelm
  • Nele, E. R.
  • Nemes, Endre
  • Nesch, Rolf
  • Newman, Barnett
  • Nicholson, Ben
  • Nieuwenhuys, Constant A.
  • Noguchi, Isamu
  • Nolan, Sidney Robert
  • Nolde, Emil

o

  • Oelze, Richard
  • Orgeix, Christian de
  • Ostrower, Fayga

p

  • Paolozzi, Eduardo
  • Pasmore, Victor
  • Penalba, Alicia
  • Perilli, Achille
  • Pevsner, Antoine
  • Piaubert, Jean
  • Picasso, Pablo
  • Piet
  • Pignon, Edouard
  • Piza, Arthur Luiz
  • Platschek, Hans
  • Poliakoff, Serge
  • Pollock, Jackson
  • Pomodoro, Arnaldo
  • Pomodoro, Gio
  • Potworowski, Peter
  • Pousette-Dart, Richard
  • Prassinos, Mario

r

  • Rauschenberg, Robert
  • Rebeyrolle, Paul
  • Richier, Germaine
  • Riedl, Fritz
  • Riopelle, Jean Paul
  • Ris, Günter Ferdinand
  • Ritschl, Otto
  • Roesch, Kurt
  • Rohde, Gerburg
  • Rompel, Hans
  • Roszak, Theodore
  • Rothko, Mark
  • Rouault, Georges

s

  • Santomaso, Giuseppe
  • Saura, Antonio
  • Scanavino, Emilio
  • Schaper, Karl
  • Scharff, Edwin
  • Schlemmer, Oskar
  • Schneider, Gérard
  • Schoeffer, Nicolas
  • Schultze, Bernard
  • Schumacher, Emil
  • Schwitters, Kurt
  • Scialoja, Toti
  • Scott, William
  • Seitz, Gustav
  • Serpan, Jaroslaw
  • Seuphor, Michel
  • Stadler, Toni
  • Stahly, François
  • Stamos, Theodoros
  • Staël, Nicolas de
  • Still, Clyfford
  • Stupica, Gabrijel
  • Sugai, Kumi
  • Sutherland, Graham
  • Szenes, Árpád

t

  • Tajiri, Shinkichi
  • Tal-Coat, Pierre
  • Tamayo, Rufino
  • Tanguy, Yves
  • Tanning, Dorothea
  • Tejima, Yûkei
  • Thieler, Fred
  • Tobey, Mark
  • Tomlin, Bradley Walker
  • Trier, Hann
  • Trsar, Drago
  • Trökes, Heinz
  • Turcato, Giulio
  • Twardowicz, Ann
  • Tworkov, Jack
  • Tàpies, Antoni

u

  • Ubac, Raoul
  • Uhlmann, Hans

v

  • Van Lint, Louis
  • Vasarely, Victor
  • Vedova, Emilio
  • Velde, Geer van
  • Viani, Alberto
  • Vieira da Silva, Marie Hélène
  • Villon, Jacques
  • Vordemberge-Gildewart, Friedrich

w

  • Wendland, Gerhard
  • Werdehausen, Hans
  • Werner, Theodor
  • Werner, Woty
  • Wind, Gerhard
  • Winter, Fritz
  • Wolf, Karl Anton
  • Wols (Schulze, Wolfgang)
  • Wotruba, Fritz
  • Wynter, Bryan

y

  • Yamazaki, Taiho

z

  • Zadkine, Ossip
  • Zimmermann, Mac
  • Zürn, Unica

Künstlerischer Leiter

Arnold Bode
geboren 1900 in Kassel, gestorben 1977 in Kassel

  • 1919 – 1924
    Studium Malerei und Grafik, Kunstakademie Kassel, Kassel

  • 1922 – 1929
    Kunstausstellungen moderner Kunst in der Orangerie in Kassel

  • 1925
    Gründung der Kasseler Sezession sowie der Künstlergruppe Die Fünf

  • ab 1926
    Freier Maler und Zeichner

  • 1929
    Eintritt in die SPD. Bis 1977 Mitglied der SPD

  • 1930
    Dozent am Städtischen Werklehrer-Seminar, Berlin

  • 1931 – 1933
    Stellvertretender Direktor des Werklehrer-Seminars, Berlin

  • 1933
    Entfernung aus dem Amt durch die Nationalsozialisten. Berufsverbot als Künstler

  • 1934
    Innere Immigration in Kassel

  • 1945
    Amerikanische Kriegsgefangenschaft. Nach Entlassung Rückkehr nach Kassel

  • ab 1945
    Entwicklung von Projektplänen für eine große internationale Kunstausstellung. Gründung der Gesellschaft Abendländischer Kunst des 20. Jahrhunderts

  • 1948
    Neugründung Kasseler Kunstakademie, die 1932 geschlossen worden war

  • 1950 – 1955
    Tätigkeit als Raumgestalter und Möbeldesigner

  • 1955
    Künstlerischer Leiter der ersten documenta in Kassel

  • 1959
    Künstlerischer Leiter der documenta 2, Kassel

  • 1964
    Künstlerischer Leiter der documenta 3, Kassel

  • 1968
    Künstlerischer Leiter der documenta 4, Kassel

Auszeichnungen (Auswahl):

  • 1974
    Verleihung des Großen Verdienstkreuzes der Bundesrepublik Deutschland

  • 2015
    Hessischer Kulturpreis für die Tätigkeit als Künstlerischer Leiter der documenta 1-4 (posthum)

Arnold Bode steht vor einem Werk von Jackson Pollock. Eine Hand hält er angewinkelt nach oben, in der anderen Hand hält er Unterlagen.
Arnold Bode vor Jackson Pollock (1955)