Künstlerische Leitung
Rudi Fuchs
Orte
Museum Fridericianum, Neue Galerie, Orangerie, Karlsaue
Künstler*innen
182
Besucher*innen
387.381
Budget
6,957,977 DM
Joseph Beuys, 7000 Eichen. Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung (1982-1987)
Foto: Udo Reuschling
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Die „Würde“ wollte der Niederländer Rudi Fuchs, der künstlerische Leiter der documenta 7, der zeitgenössischen Kunst mit seiner Ausstellung zurückgeben. Und dieses nicht zuletzt dadurch, dass er die Kunst hier nicht vor allem in einer gesellschaftspolitischen Verantwortung sah, sondern stattdessen ihre ästhetische „Autonomie“ betonte. So reagierte Fuchs mit seiner documenta 7 in einer Art „dialektischer Gegenbewegung“ auf ihre Vorgänger, die ja Kunst auch als Medium für soziale Veränderungen sowohl im Kunstsystem als auch im „richtigen Leben“ angesehen hatten. Fuchs verzichtete denn auch auf einen Titel ebenso wie auf ein theoretisches kuratorisches Konzept. Mit poetischen Metaphern wie der von einer „gemessen dahingleitenden Regatta“ stellte er stattdessen so provokativ wie feingeistig seine documenta vor, die besonders auf altbewährte Kategorien wie „Schönheit“ und „künstlerische Individualität“ setzte. Diese Wendung schlug sich auch in der Gewichtung der Medien nieder, die auf der documenta 7 präsentiert wurden: (großformatige) Malereien und Skulpturen vor allem hatte Fuchs ausgewählt, konzeptionelle und performative Kunst war zwar ebenfalls zu sehen, diesmal aber in deutlich reduzierter Präsenz. Als wollte er der „Medien-documenta“ widersprechen, zeigte Fuchs nur eine einzige (!) Video-Installation in seiner Ausstellung, nämlich die Arbeit PM Magazine/Acid Rock (1982) der US-amerikanischen Künstlerin Dara Birnbaum. Performance-Aufführungen, etwa der Opera Suite (1982) von Carlo Quartucci und Carla Tatò, fanden im Staatstheater statt. Diese „wertkonservative“ Neuverortung der documenta wurde nicht zufällig Anfang der 1980er Jahre vorgenommen, im selben Jahr, in dem Helmut Kohl seine sechzehnjährige Amtszeit als CDU-Kanzler antrat. Die studentenbewegten 1960er Jahre und ihre humanistischen Hoffnungen waren jetzt endgültig Geschichte, der „lange Marsch durch die Institutionen“ war längst an die Stelle revolutionärer Aufstände und Proteste getreten. Dies galt auch für große Bereiche der Kunst: Plötzlich gewann die Institution Museum wieder an Gewicht – nicht zuletzt dank wichtiger Neubauten wie des Museums Abteiberg in Mönchengladbach oder der Staatsgalerie in Stuttgart –, ein konventioneller Werkcharakter trat immer öfter wieder an die Stelle der eher offenen Projekte von Fluxus, Performance und Concept Art, und in dieser Dekade entwickelte sich erstmals ein international agierender, überaus erfolgreicher Kunstmarkt, dessen Galeriesystem es ebenfalls nach verkäuflichen Kunstwerken „gelüstete“.
Rudi Fuchs (1982)
Foto: Lothar Koch
Francesco Clemente, Hunger (1980), Earth (1980); Moon (1980), Sun (1980)
Wolfgang Laib, Blütenstaub von Kiefern (1981); Claes Oldenburg, Mein Handwerkszeug (1982)
Foto: Udo Reuschling
Dan Graham, Two Adjacent Pavilions (1978-82)
Imi Knoebel, Genter Raum (1979-80)
Joseph Kosuth, Seeing Reeding (Two C.&A.A.) (1981)
Hans Haacke, Hommage à Marcel Broodthaers (1982)
Dara Birnbaum, PM-Magazine (1982)
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Vor allem die gegenständliche Malerei sorgte auf der documenta 7 für Aufsehen. Zu nennen sind hier in erster Linie die opulenten Gemälde der Vertreter der italienischen „Transavanguardia“, also von Künstlern wie Enzo Cucchi, Francesco Clemente und Sandro Chia, sowie expressivdilettantische Bilder der deutschen „Neuen Wilden“ wie Elvira Bach und Salomé, aber auch die Werke ihrer Quasi-Vorläufer Georg Baselitz, A.R. Penck und Anselm Kiefer. Für die „Neuen Wilden“ war es ein Durchbruch, auch wenn er wenige Jahre später schon wieder in Vergessenheit geriet. Neu war damals, und dies ist die eigentliche kuratorische Leistung von Rudi Fuchs, dass diese gegenständlichen Bilder dialogisch gehängt wurden: etwa Jonathan Borofskys Skulptur Five Hammering Men (1982) inmitten der Graffiti-Leinwände von Keith Haring und der Malerei von Salomé und Martin Disler. Ihnen hatte Fuchs klassizistische Skulpturen aus Kasseler Museen beigesellt und so betont, dass auch jüngste Kunst immer in der Tradition und dem Bedeutungszusammenhang von Kunstgeschichte sich ereignet.
Zu den Highlights der documenta 7 zählte Marcel Broodthaers’ Installation Schlacht von Waterloo (1975) in der Rotunde. Inmitten einer nachgestellten Schrebergartenidylle hatte der belgische Konzeptkünstler Versatzstücke der Schlacht um Waterloo inszeniert und sie dann mit modernem Kriegsgerät wie etwa fein säuberlich aufgereihten Maschinengewehren konfrontiert. So reflektierte Broodthaers klug die Konstruktion jedweder Historie. „Vergangenheit wie Gegenwart werden zu sich wechselseitig bedingenden Fiktionen“, schrieb Bazon Brock zu dieser Installation in seiner Besucherschule d7. In der Neuen Galerie zeigte dann Hans Haacke Oilpainting. Hommage à Marcel Broodthaers (1982) – ein vom Künstler in Öl ausgeführtes Portrait Ronald Reagans hinter einer musealen Absperrkordel, von der aus ein roter Teppich zu einer Fototapete eines vergrößerten Dias führte, das Anti-Reagan-Demonstrationen in Bonn zeigte.
Marcel Broodthaers, Décor (1975) © Marcel Broodthaers/VG Bild-Kunst
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Auch wenn die Kunst auf dieser documenta zumeist in den geschlossenen Räumen hehrer „Kulturtempel“ gezeigt wurde – das Fridericianum war kurz vorher staatsbauamtlich renoviert worden, wobei viel vom zeitgezeichneten Charakter des Hauses verlorengegangen war –, sind es wie schon auf der documenta 6 vor allem Arbeiten im Außenraum, die sich nachhaltig in die Erinnerung eingeschrieben haben, da sie in Kassel verblieben sind. So etwa Claes Oldenburgs Die Spitzhacke (1982), ein überdimensioniertes Denkmal einer Spitzhacke, die der US-amerikanische Pop-Art-Künstler am Fuldaufer platziert hatte. Und selbstverständlich Joseph Beuys’ Baumpflanzaktion 7000 Eichen (1982–1987): 7000 Bäume sollten Kasseler Bürger dafür im Stadtgebiet zur Begrünung der Stadt pflanzen. Jedem Baum wurde ein Basaltstein zur Seite gestellt. Die Steine wurden – damals sehr zum Ärger der Kasseler Bürger – bis zu ihrem Einsatz auf dem Kasseler Friedrichsplatz gelagert, so dass an den schrumpfenden Ausmaßen dieses Steinberges der Fortschritt der Aktion ablesbar war. Der letzte Baum wurde im Rahmen der documenta 8 angepflanzt, der 1986 verstorbene Beuys selbst hat dies nicht mehr miterlebt. Die Bäume begrünen Kassel heute noch.
Joseph Beuys, 7000 Eichen. Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung (1982-1987)
Foto: Dieter Schwerdtle
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